[Rezi] #2/15 - Der Tag an dem Rose verschwand


Persönliche Zusammenfassung:
Es scheint ein normaler Sommertag, an dem die Trägheit über der Stadt liegt und nur der Pfirsichbaum im Garten von Sevenoaks kühlen Schatten spendet. Anna und Rose sind Schwestern und während die Jüngere, Anna, sich auf in die Stadt macht, verbringt ihre Schwester Rose den Nachmittag im Schatten des Baumes, vertieft in ein Buch.
Als Anna wieder nach Hause kommt, ist aber plözlich alles anders, denn Rose ist verschwunden.
Kein Wort das sie hinterlässt, kein Zeichen das daraufhindeutet, was mit ihr passiert ist.
Erst zwanzig Jahre später scheinen sich die Spuren im Sand zu vertiefen und eine Spur nach der anderen wird aufgedeckt...

Rezension/Meinung:
Der Sommer 1990 verändert in dieser Geschichte alles.
Er unterteilt das Leben von Anna und ihren Eltern in ein „Davor“ und „Danach“. Denn an diesem schicksalhaften Tag bleibt die Zeit in Sevenoaks stehen. Kein lautes Lachen hallt mehr durch die Räume – nur leises Flüstern erfüllt die Leere. Eine Leere die sich insbesonder in den drei Zurükgebliebenen verankert, ohne sich jemals wieder richtig zu füllen. Rose, die älteste Tochter, ist verschwunden.
Niemand weiß was geschehen ist; lediglich ein Buch und ein Glas zeugen davon, dass sie noch wenige Stunden zuvor auf der Liege unter dem Pfirsichbaum saß und die Stunden genoßen hat.

Die Geschichte wird aus Sicht von Anna erzählt, deren Leben sich durch das Verschwinden ihrer Schwester grundlegend verändert hat. Sie selbst konnte den Verlust, der auch nach zwanzig Jahren noch unaufgeklärt ist, nie verkraften und hangelt sich immer noch an die Hoffnung, dass das zarte Wesen, welches Rose immer war, irgendwann wieder auftauchen könnte.
Im Lauf der Geschichte springt die Zeit oftmals hin und her. Der Leser erfährt, wie Anna ohne Rose erwachsen geworden ist und wie weit Eifersucht gehen kann.
Aber auch viele Gehemnisse dringen in dieser Geschichte ans Licht und teilweise ist man als Leser selbst verwirrt, wenn man die Faden der Erzählung einmal verloren hat.
Doch wer dran bleibt und sich auch durch die manchmal zu tiefgründigen Passagen pflügt, wird überrascht sein, welche Wendungen die Geschichte nimmt.
Es passiert viel und obwohl man manchmal befürchtet, das es zu viel ist, findet sich immer wieder eine Erklärung die stimmig ist und dadurch nicht zu übertrieben wirkt.

Sein Leben quasi für das seiner verschwundenen Schwester aufzugeben wirkt einerseits sehr ergeben, andererseits auch abhängig. Mich hat in dieser Geschichte sehr betrübt, dass die Hauptprotagonistin ihr Leben nicht mehr wirklich selbst bestimmt hat, sondern  nur noch die Suche nach ihrer Schwester im Mittelpunkt stand und sie jede Entscheidung ihres eigenen Lebens von dieser abhängig gemacht hat.
Alles in allem erzählt sich die Geschichte gut, auch wenn die Autorin zeitweise abzuschweifen scheint. Ich wollte Anna am liebsten immer wieder an die Hand nehmen und ihr sagen, dass sie ihren eigenen Weg machen muss, denn es scheint, dass sie in den zwanzig Jahren, die in diesem Buch beschrieben werden, kaum ein Jahr älter wird in Bezug auf ihre Entscheidungen und Veränderungen.
Sicherlich ist es auch nachvollziehbar, dass man auch noch nach Jahren nach einem geliebten Menschen sucht, aber ich konnte nicht verstehen warum man nicht irgendwann einen Schlussstrich zieht.
Neben Anna spielt auch ihre Mutter eine große Rolle, denn wie man nach und nach erfährt, haben ihre frühen Entscheidungen ebenfalls auf die aktuelle Situation hingearbeitet.
Und auch wenn das Hauptthema dieses Buches die Suche nach einer Frau ist, die ihren eigenen Weg gegangen ist ohne zurück zu blicken, gibt es auch kleine Einstreuungen, wie der Themen Verdrängung und Alzheimer, Eifersucht und auch Homosexualität. Aus diesem Grund hat mir die Geschichte gut gefallen und wurde für mich immer wieder schlüssig.
Doch zeigt Linda Newbery auch klar, wie sich Leben in all der Zeit verändern und was für Schritte man manchmal wagen muss um in Richtung des eigenen Glückes zu gelangen.

Dies ist ein Roman, der nicht ganz leicht dahinläuft, der immer wieder Abzweigungen und Zeitreisen unternimmt, der mich aber gerade dadurch an sich binden konnte. Manchmal kommt man aber auch ins Grübeln, ob es nicht zu viele Erlebnisse und Geschehnisse in einer Familie sind, die da niedergeschrieben wurden.
Der ein oder andere wird wie ich schnell ahnen, was noch auf den Leser zukommt und schon früh erkennen wo der Weg hinführt, da der Weg aber im Nebel zu liegen scheint wird es an einigen Stellen spannend.

Eine Familiengeschichte die jede Generation anders trifft und berührt. Die mit Vorurteilen kämpft und diese immer wieder in Frage stellt um sie dann zu beseitigen. Eine wunderbare Geschichte über das Leben, Verlust und einer Wahrheit, die zeigt, dass Wünsche und Hoffnungen sich oftmals von der Realität unterscheidet.

Wer undurchsichtige Geschichte mag, die viele Wendungen und viele kleine Einzelgeschichten in sich beinhaltet, wird hier sehr gut aufgehoben sein.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar an blanvalet.

Die Autorin
Linda Newbery studierte und unterrichtete Englisch, bevor sie ihr erstes Buch verfasste. Sie veröffentlichte bereits mehrere Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die vielfach ausgezeichnet wurden, u.a. mit dem Costa Children's Book Award. Zur Zeit lebt sie mit ihrem Mann und drei Katzen in einem kleinen Dorf in der Grafschaft Oxfordshire im Süden Englands. 

Quelle: Bild der Autorin copyright by Liz Hingley. Cover des Buches von blanvalet. Bild mit Beschreibung copyright by Lesefee.


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